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Westerstede. Die bisherige Bedeutung traditioneller Medien für die Verbreitung von Informationen und für die Meinungsbildung wird spätestens seit dem Aufstieg des Gratisjournalismus im Internet systematisch zurückgedrängt. Glaubwürdigkeit und Deutungs-hoheit der klassischen Printmedien als Torwächter zur Wahrheit geraten zunehmend ins Wanken, die mediale Welt, wie es sie bisher in Form von gegeben hat, steht im Begriff zu verschwinden. Ob dies tatsächlich so ist und welche Folgen dies haben könnte, dies war am vergangenen Mittwochabend Thema eines öffentlichen Vortrages, der im Rahmen des Referentenprogramms des  Westersteder Wissenschaftsforums stattfand.

„Journalismus in der Krise – zwischen Fake News und Facebook“ war der Titel der Veranstaltung, die in der Mensa der Europaschule Gymnasium Westerstede stattfand. Hans-Ulrich Jörges, ehemaliges Mitglied der Chefredaktion und heutiger Kolumnist des Stern, ging dabei vor allem auf das Spannungsverhältnis von Wahrheit und Lüge ein, wie es sich u.a. auch in den klassischen Printmedien wiederfinden lasse. Ein engagiert und wortkräftig auftretender Referent verdeutlichte den ca. 120 anwesenden Zuhörern u.a. am Beispiel der Affäre um den ehemaligen Spiegel-Reporter Claas Relotius in sehr anschaulicher Form, in welcher Weise auch in den Printmedien vermeintliche „Tatsachen“ manipuliert und zum Gegenstand von „Meinungen“ in Form von „Fake News“ werden können, die wiederum sehr verschiedenen Interessen und Leidenschaften entstammen und dazu beitragen, in und über die Printmedien ein bestimmtes Bild von Wirklichkeit zu erzeugen. Weitere Beispiele waren die Affären um die gefälschten Hitler-Tagebücher bzw. die Affäre um den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff, die nach Auffassung des Referenten als Fake-News kein Ruhmesblatt für die Seriosität und Objektivität der Printmedien darstellten.

Doch auch die sog. Social Media wie Facebook, Twitter oder Instagram betrachtete Hans-Ulrich Jörges sehr kritisch, indem er sie als „asoziale Medien“ bewertete, die als gewinnorientierte Privatunternehmen ihre Angebote nur deshalb kostenlos zur Verfügung stellten, weil sie im Gegenzug Daten über ihre Nutzer erhielten und zu ihren Gunsten ausnutzen könnten. Allgemein wurde deutlich, dass sich die Rolle der alten Medien rasant verändert, sie im Begriff sind, ihre Monopolrolle zur Informationsverbreitung und Meinungsbildung unwiederbringlich zu verlieren. Angetreten mit dem Anspruch, die Welt erklärbar und handhabbar zu machen, habe das Aufkommen des Internets zu der Erkenntnis geführt, dass es nicht nur die eine Welt und Wahrheit, sondern unzählige davon gebe, so Jörges.  Die Nutzung von Social Media und Onlinemedien verändere die klassische Rolle des Lesers, da dieser als Empfänger der Botschaft nunmehr selbst zum Sender werden könne. Zugleich stiege mit dem Aufkommen und der zunehmenden Verbreitung der Onlinemedien die Gefahr, dass sich infolge algorithmischer Strukturen der Social Media Filtereffekte der Informationsverarbeitung bildeten („Echolotkammern“), die die Entstehung von Fake News und Verschwörungstheorien enorm begünstigten und damit einen weiteren Verlust an Glaubwürdigkeit und Autorität bewirken würden. Jörges Blick auf die Zukunft der Printmedien erwies sich insgesamt als ein pessimistischer: „In gut zwanzig Jahren“, so Jörges, „wird es das Printmedium als traditionelles Medium nicht mehr geben!“

Der 1951 geborene Hans-Ulrich Jörges ist einer der bekanntesten deutschen Journalisten. Von 2007 bis 2017 war er Mitglied der Chefredaktion der Illustrierten Stern und Chefredakteur für Sonderaufgaben des Verlags Grunder + Jahr.  Jörges war Initiator der Europäischen Charta für Pressefreiheit und zusammen mit Guido Knopp Begründer des Zeitzeugenprojekts Gedächtnis der Nation, das seit 2011 besteht. Einer breiteren Öffentlichkeit ist er seither bekannt durch seine wöchentliche Kolumne „Zwischenruf“, durch die er aktuelle politische Ereignisse kommentiert. Daneben ist er bis heute gern gesehener Gast in zahlreichen Talkshows zu politischen Themen.

 

Am Montag, den 4. Februar 2019, wird um 11:30 Uhr in der Aula unseres Gymnasiums das Wissenschaftsforum Westerstede durch Herrn Kultusminister Grant Hendrik Tonne feierlich eröffnet, der zugleich die diesjährige Schirmherrschaft übernommen hat.

Diese Eröffnungsveranstaltung stellt dabei den Auftakt dar für den Beginn der diesjährigen Veranstaltungsreihe mit Vertretern wissenschaftlicher Institute und politischer Institutionen, die im Rahmen eines öffentlichen Referentenprogramms einen Einblick in ihre Disziplinen geben werden; als erster Referent der Veranstaltungsreihe wird am Montagabend um 19:00 Uhr Herr Prof. Dr. Matthias Dobbelstein vom Institut für Molekulare Onkologie (Universität Göttingen) einen Einblick in den aktuellen Stand der Krebsforschung geben. Eingeleitet wird diese abendliche Veranstaltung durch einen Vortrag der Schülerin Mette Janßen (Klasse 11f), die als Stipendiatin des Wissenschaftsforums ihr Praktikum am Institut von Prof. Dr. Dobbelstein absolviert hat.

Die Eröffnungsveranstaltung am Vormittag wird in Anwesenheit von Schülerinnen und Schülern des 10. und 11. Jahrgangs sowie zahlreicher Gäste aus dem schulischen, medizinischen, universitären und politischen Bereich stattfinden, u.a. der Niedersächsischen Landesschulbehörde, der EWE-Stiftung Oldenburg, die das Vorhaben fördert, der Landeszentralbank Oldenburg, des Projekts Innovative Hochschule Oldenburg, der Ammerland-Klinik Westerstede und zweier Bundestagsabgeordneter aus dem Wahlkreis Ammerland. Herr Dr. Osewold und Herr Timpe werden dabei zunächst die Konzeption des Vorhabens vorstellen, die Stipendiatinnen und Stipendiaten präsentieren daraufhin die einzelnen Module des Wissenschaftsforums und stellen die wissenschaftlichen, kulturellen und politischen Institute und Institutionen vor, an denen sie im April 2019 ihre Forschungspraktika durchführen werden.

Darüber hinaus wird es im zweiten Teil der Veranstaltung ein Podiumsgespräch mit geladenen Gästen geben. Thema dabei wird u.a. der Stellenwert des Wissenschaftsforums Westerstede im Hinblick auf die Förderung der Wissenschaftskommunikation zwischen Schule, Universität und Öffentlichkeit sein