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In Ihrer vieldiskutierten Streitschrift „Warum Europa eine Republik werden muss!“ stellt die deutsche Politikwissenschaftlerin und Publizistin Ulrike Guérot, Professorin für Europapolitik und Demokratieforschung an der Donau-Universität Krems, die provokante These auf, dass die „EU-Krise […] Ausdruck einer nicht vorhandenen europäischen Demokratie, einer fehlenden Vision eines demokratischen Europa“ sei, die  „EU […] in Deutschland wie in den Nachbarstaaten heute jeden Fluchtpunkt für ein politisches Projekt, für eine sinnstiftende Erzählung des großen Ganzen verloren“ habe, sodass nicht der Populismus die EU bedrohe, „sondern die EU […] den europäischen Populismus“ produziere: „Wo EU-Politik als alternativlos gilt, provoziert sie Systemgegnerschaft.“ Und: „Ein demokratisches Europa ist […] gar nicht im Angebot, sondern immer nur mehr EU und mehr Integration, also mehr von demselben. […] Im allgemeinen europäischen Kauderwelsch ist keine klare Idee von Europa mehr zu erkennen, weil wir sie nicht mehr in Worte fassen können.“

 

Grund genug für das Referentenprogramm des Wissenschaftsforums Westerstede, sich im Vorfeld der Europawahlen 2019 für den 2. Mai 2019 mit diesen Thesen auseinanderzusetzen und  zu einer Podiumsdiskussion zum Thema „Das Projekt Europa in Zeiten des Populismus: Brauchen wir eine neue Idee von Europa?“ einzuladen, an der die Jahrgänge 10 und 11 und weitere Interessierte der Westersteder Öffentlichkeit in der vollbesetzten Aula teilnahmen. Die Stipendiatengruppe des Wissenschaftsforums bereitete diese Veranstaltung zusammen mit den Themenblöcken „Europäische Idee im Zeitalter des Populismus“, „Jugend in Europa“, „Bildung in Europa“, „Weiterentwicklung Europas“ inhaltlich vor.

 

Alexa Korczak (Klasse 11f) und Simon Thyen (Klasse 11e), die beide als Stipendiaten des Wissenschaftsforums in Brüssel bzw. in Berlin ihr Praktikum absolviert hatten, moderierten die spannende Diskussionsveranstaltung, an der neben dem EU-Abgeordneten Tiemo Wölken (SPD), den Bundestagsabgeordneten Stephan Albani (CDU) und Dennis Rohde (SPD),  dem Landtagsabgeordneten und europapolitischen Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Dragos Pancescu, auch der Kandidat bei der Europawahl und Vorsitzende der FDP Varel, Michael Voss, als Podiumsteilnehmer ihre Sicht auf die Themenblöcke „Jugend in Europa“ sowie „Europäische Bildung“ und „Weiterentwicklung Europas/der europäischen Idee“ vorbrachten; Gustav Wehner von Pulse of Europe Oldenburg vertrat dabei die Position der Zivilgesellschaft.

Moderationsteam Alexa Korczak (11f) und Simon Thyen (11e), Stipendiaten des Wissenschaftsforums Westerstede

Zu Beginn erhielten alle Teilnehmer Gelegenheit, ihre Vorstellung vom „europäischen Konzept/der europäischen Idee“ vorzustellen, wobei (ganz im Sinne Guérots) zu Beginn natürlich all die Standardbegrifflichkeiten benannt wurden, die in der öffentlichen Diskussion gemeinhin mit dem Begriff „Europa“ verbunden werden: Freiheit, Grenzenlosigkeit, Grund- und Menschenrechte, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Solidarität, Meinungs- und Pressefreiheit, Abkehr vom Nationalismus usw. Allen gemeinsam war dabei die grundsätzliche Kritik der populistischen Bestrebungen, wobei im Kern allerdings nicht wirklich ausgeschärft wurde, worin die Ursachen des Populismus liegen oder welche Rolle möglicherweise die EU-Politik spielt, diese Tendenzen des Nationalismus und Populismus zu befördern.

Einig war man sich dann allerdings unbedingt darin, Jugendliche zu ermuntern, sich weiterhin für die europäische Idee zu begeistern. So forderte Tiemo Wölken verstärkte Europäische Investitionen in die Jugend, für ERASMUS und für die Jugendgarantie, um mit einer starken Jugend Europa vor den Nationalisten zu schützen. Auch Stephan Albani und Dennis Rohde hoben gemeinsam die große Bedeutung von EU-Austauschprogrammen für Jugendliche zur Förderung allgemeiner und beruflicher Bildung, da dadurch wichtige Möglichkeiten und Gelegenheiten geschaffen würden, Wissen und Erfahrungen in Einrichtungen und Organisationen verschiedener Länder weiterzuentwickeln und junge Menschen so zugleich zur Teilhabe am demokratischen leben in der EU zu motivieren. Gustav Wehner von Pulse of Europe verwies in diesem Zusammenhang auf das durch die Aktivitäten Greta Thunbergs ausgelöste starke Engagement Jugendlicher im Zusammenhang mit der Klimawandeldiskussion („Fridays for Future“) und wünschte sich ein ebensolches Engagement Jugendlicher für die europäische Idee. Aber schon der Verweis der Moderatoren auf die heftigen Diskussionen um den Art. 13 der EU-Urheberrechtsreform und die damit verbundene Frage nach der künftigen Freiheit des Internets machten deutlich, dass auch aus Sicht einzelner Podiumsteilnehmer sich augenscheinlich eine tiefere

Von links nach rechts: MdE Tiemo Wölken (SPD), Gustav Wehner (Pulse of Europe Oldenburg)

Distanz zwischen den Vertretern des EU-Europa und Teilen der europäischen Jugend entwickelt hat, deren breite Kritik an der EU-Urheberrechtsreform nicht gehört wurde und die damit nicht in die Lage versetzt wird, Änderungen für die Altersgenossen zu bewirken. Dass dies zu Frustrationen und im schlimmsten Fall dazu führen könnte, dass Jugendliche sich nicht mehr in den Strukturen der EU zu engagieren bereit sind, stellt denn auch der EU-Abgeordnete Tiemo Wölken fest, der im Hinblick auf die Höhe der geplanten Militärforschungsausgaben feststellt: „Wir brauchen ein Parlament, dass mehr an die Jugend glaubt anstatt an Waffen.“ Und gleichwohl, dies stellten alle Podiumsteilnehmer übereinstimmend fest, sei es zwingend erforderlich, die europäische Jugend verstärkt in die europäische Entscheidungsprozesse einzubeziehen, denn nur so könne es gelingen, den wachsenden Gefahren des Nationalismus und Populismus zu begegnen.

So blieb am Ende dieser von allen Beteiligten äußerst engagiert geführten Podiumsdiskussion ein vielleicht etwas zwiespältiger Eindruck zurück: Glaube – Liebe – Hoffnung. Glaube und Hoffnung gegenüber der europäischen Jugend allein wird die Krise der europäischen Demokratie nicht beseitigen helfen. Die Liebe allein zur europäischen Idee sicherlich auch nicht. Was also bleibt, welche Möglichkeiten ergeben sich da für die Schule heute?

Von links nach rechts: MdL Dragos Pancescu (Bündnis90/Die Grünen), MdB Stephan Albani (CDU)

Abgesehen von den aktuellen Diskussionen um die Aktivitäten der Fridays-for-Future-Bewegungen ist eine von vielen Möglichkeiten vielleicht die, mit unmittelbar Verantwortlichen (stärker als bisher geschehen) ins Gespräch zu kommen, mit ihnen zu diskutieren, sie zu befragen, sie zu interviewen – vergleichbar den Aktionen, die die ZEIT mit ihrer Aktion „Deutschland spricht“ auf einer anderen Ebene zu realisieren versucht.

von links nach rechts: MdB Dennis Rohde (SPD), MdE Tiemo Wölken (SPD), MdB Stefan Albani (CDU), Alexa Korczak, Simon Thyen, Gustav Wehner (Pulse of Europe), Dragos Pancescu (Bündnis 90/Die Grünen), Michael Voss (FDP Ortsverband Varel)

Schulisch gesehen könnte das bedeuten, viel häufiger als bisher geschehen, gesellschaftlich relevante und Jugendliche interessierende und sie direkt betreffende Fragen und Entscheidungen in diesem Mikrokosmos Schule unmittelbar(er) erfahrbar zu machen. Eine Möglichkeit hierzu stellen sicherlich z.B. die beiden

Von links nach rechts: Simon Thyen, MdB Dennis Rohde (SPD), MdL Dragos Pancescu (Bündnis90/Die Grünen)

Podiumsdiskussionsveranstaltungen von Anfang April und Anfang Mai 2019 dar, die von der Europa-AG und vom Wissenschaftsforum Westerstede initiiert und vorbereitet wurden. Darüber hinaus wäre es jedoch z.B. auch denkbar, regelmäßig an Planspielen zur „Europapolitik“ teilzunehmen oder regelmäßige Fahrten nach Brüssel und Straßburg als Zentren europäischer Politik durchzuführen oder in der Schule z.B. am European Youth Parliament teilzunehmen, das Strukturen des Europäischen Parlaments nachbildet und konkret erfahrbar macht. Eine weitere Möglichkeit ergibt sich darüber hinaus z.B. im Rahmen des Referentenprogramms des Wissenschaftsforums Westerstede, durch das renommierte Vertreter und/oder Kritiker europäischer Politik nach Westerstede geholt werden können, um ihre Sicht europäischer Entwicklungen zu erläutern und sich dabei einer kritischen Diskussion zu stellen.

Eine nächste Gelegenheit hierzu wird sich so möglicherweise bereits im kommenden Schuljahr ergeben, falls Frau Prof. Dr. Ulrike Guérot als eine der derzeit führenden deutschen Politikwissenschaftlerinnen für Europapolitik und Demokratieforschung zu einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung des Wissenschaftsforums Westerstede hier  zu uns in die Schule kommen und mit Schüler/-innen diskutieren sollte. Wir werden sehen!

 

Ich bin Alexa Korczak und habe zwei Wochen lang, im Rahmen der Oberstufenberufsorientierung durch das Wissenschaftsforum Westerstede, ein Praktikum im Büro des Europaabgeordneten Tiemo Wölken gemacht.
Ich komme aus Westerstede, bin 16 Jahre alt und besuche die 11. Klasse der Europaschule Gymnasium Westerstede. Ich habe mich bei Tiemo beworben, da ich plane wie er, Jura zu studieren, wobei ich den Schwerpunkt auf europäisches Recht legen möchte. Da Tiemo selbst auch Jura studiert hat und nun in einer europäischen Institution tätig ist, bildet seine Laufbahn ein gute Orientierung für mich und hilft mir, mir über meine eigene berufliche Zukunft klarer zu werden.

Die Ankunft in Brüssel war sehr angenehm und ich wurde herzlich im Büro aufgenommen. Ich wurde durch das Parlament geführt und habe erste Eindrücke der parlamentarischen Arbeit bekommen. Ich habe viele verschiedene Sitzungen von Rechtsausschuss, bis zur Intergroup Searica, verfolgt und Tiemo bei Interviews begleitet. Dadurch habe ich einen guten Einblick in den vielseitigen Alltag eines Abgeordneten bekommen.
Besonderes Augenmerk habe ich während meiner Zeit in Brüssel auf das Thema Lobbyismus, über das ich meine Ausarbeitung schreibe, gelegt. Zu diesem Thema konnte mir nicht nur das Team viele Informationen liefern, ich habe auch Workshops und Vorträge über Lobbyismus und Transparenz innerhalb von europäischen Institutionen, verfolgen können.

Ein Highlight des Praktikums war das Mini- Plenum in Anwesenheit von Jean- Claude Juncker und dem schwedischen Premierminister Stefan Löfven.

Alles in allem hat mir das Praktikum sowohl die parlamentarische Arbeit und den Alltag eines Abgeordneten näher gebracht als auch mich in meinen Wünschen bezüglich künftiger Studien- und Berufswahl bestärkt.

Mein heutiger Tag im Europäischen Parlament gestaltete sich sehr vielfältig.

Der Tag startete mit einer Sitzung der Intergroup Searica (seas, rivers, islands and coastal areas), welche sich mit dem Herstellen einer Balance zwischen dem maximalen Ausnutzen ökonomischen Potentials und dem ökologischen Schutz des Raums beschäftigt.

Die Intergroup Searica beschäftigt sich bezogen auf die europäischen Meeres- und Küstengebiete daher vorrangig mit der Klärung der Chancen und Risiken für die Meeresumwelt, die maritime Industrie, die Forschung, den Seeverkehr, die Nutzung lebender Meeresressourcen.

Zur Erläuterung, was unter einer „Intergroup“ zu verstehen ist, hier der nachfolgende Textauszug:

„The Seas, Rivers, Islands and Coastal Areas Intergroup is one of the 28 Intergroups that were approved on 11 December 2014 by the Conference of Presidents. Intergroups can be formed by MEPs from any political group and any parliamentary committee with a view to holding informal exchanges of views on particular issues and to promoting contact between MEPs and civil society.

The Seas, Rivers, Islands and Coastal Areas Intergroup brings together more than 80 MEPs from six different political groups and from 19 Member States.

Intergroups are not Parliament bodies and therefore may not express Parliament’s opinion.

Intergroups are subject to internal rules adopted by the Conference of Presidents on 16 December 1999 (last updated on 11 September 2014), which set out the conditions under which intergroups may be established at the beginning of each parliamentary term and their operating rules.“ (Entnommen aus: http://www.searica.eu/)

Diese Sitzung der Intergroup Searica wurde von Tiemo moderiert, was von mir durch Fotos für ihn dokumentiert wurde. Im Anschluss besuchte Tiemo ein Medientraining, bei dem ich ihn ebenfalls begleitet habe. Hier wurde er durch den Trainer auf ein anstehendes, kontroverses Interview vorbereitet, um möglichst gut vorbereitet mit schwierigen Fragen umgehen, und gezielte Antworten geben zu können.

Gestern hatte ich meinen ersten Tag meines Praktikums bei dem EU-Abgeordneten Tiemo Wölken im Europäischen Parlament. Trotz Flugverspätung und nächtlicher Ankunft in Brüssel am Sonntag  konnte ich heute morgen motiviert mein Praktikum antreten. Direkt gegenüber meiner Wohnung fährt ein Bus zum Place de Luxembourg, einem der Eingänge des Parlaments, was mir die Anfahrt auch am ersten Tag sehr leicht macht. Ich wurde um 10:00 Uhr von Tara, der Assistentin von Tiemo, abgeholt. Als nächstes haben wir mir ein Badge erstellen lassen, um die Sicherheitskontrolle und Eingänge überhaupt betreten zu können. Darauf folgte eine flugähnliche Kontrolle, welche man jeden Tag passieren muss. Jetzt war ich also im EU- Parlament und es hat sich herausgestellt, warum ich am Eingang abgeholt wurde und mir kein Treffpunkt innerhalb des Parlaments genannt wurde. Das Parlament besteht aus vielen verschiedenen Gebäuden, welche durch Gänge verbunden sind, die sich also von innen nicht als verschiedene erkennen lassen. Sich selbst zu orientieren, dies scheint also zunächst unmöglich. Der Weg zum Büro erfolgt durch verschiedene Hallen und Gänge, mehrere Fahrstühle müssen benutzt werden. Alles fühlt sich an, als sei man in einem Labyrinth. Tara, die mich abgeholt hat, berichtete ebenfalls, dass sie sich, trotz 6-jähriger Tätigkeit im Parlament, immer noch manchmal verlaufe. Angekommen im Büro im 12. Stock, bekam ich dann meinen eigenen Schreibtisch. Nun haben wir eine kleine Vorstellungsrunde mit einem anderen Praktikanten, mir und den beiden Assistenten von Tiemo gemacht und besprachen den Plan für die kommende Woche. Danach habe ich Emails und Materialien für anstehende Termine für Tiemo gelesen, da er erst heute aus Schottland wiedergekommen ist. Später haben wir noch zusammen eine Sitzung des Rechtsausschusses besucht, in der die Themen AI (artificial intelligence) und Kinderschutz behandelt wurden. Das war sehr beeindruckend, da die komplette Sitzung in die Muttersprache aller Anwesenden synchron übersetzt wurde. Dann hat sich mir die nächste Herausforderung gestellt, nämlich wieder aus dem Labyrinth aus Gängen und Fahrstühlen den Zugang zu finden, und dann auch noch den richtigen, der zu meiner Bushaltestelle führt. Dies hat eine Weile gedauert, doch im Endeffekt bin ich tatsächlich, trotz vieler Verwirrungen und langem Suchen, wieder an meiner Bushaltestelle angekommen, um nach Hause zu fahren. Alles in allem hatte ich also einen komplizierten, aber sehr interessanten ersten Praktikumstag und freue mich auf die folgenden Tage.